Barockmusikalische Reise durch Bayern

Alte Musik in Heilig Geist

Konzerte 2015

"Im Auftrag des Hauses Wittelsbach"

 

Freitag, den 20.2. 2015 um 19:00 Uhr

Heilig-Geist Kirche in Rosenheim

"Mozarts Vorbilder"

 

Mittwoch, den 13.5. 2015 um 20:00 Uhr

Schloßkapelle Urfahrn bei Oberaudorf

 

„Concerti e Sonate“

 

Sonntag, den 2. 8. 2015 um 19:00 Uhr

Heilig-Geist Kirche in Rosenheim

„Der Rasende Biber...“

 

Samstag, den 31.10. 2015 um 19:00 Uhr

Heilig-Geist Kirche in Rosenheim

 

Dienstag, den 29.12.2015 um 19:00 Uhr

Heilig-Geist Kirche in Rosenheim

 

"Barockmusikalische Reise durch Bayern"

 

Ausführende:

 

Simon Steinkühler Violine und Viola d´ Amore

Matthijs Lunenburg Zink

Ines Wein Violine und Viola d´ Amore

Clemens Schlemmer Dulcian

Markus Hanke Orgel

 

1. Eichstätt: Johann Peter Guzinger (geb. 1689 in Tussenhausen, gest. nach 1747):

Suite I in A-Dur für Viola d´ Amore und Basso Continuo

(Fantasia andante-Rigadon I-Rigadon II-Menuet-Gigue)

 

1. Neuburg an der Donau: Biagio Marini (geb. 1594 in Brescia, gest. 1663 in Venedig):

Sonata undecima à 2, Violino e Fagotto in d-moll, op. 8/11

 

2. München: Giovanni Martino Cesare (geb. um 1590 in Udine, gest. 1667 in München):

a) „La Famosa“ in d-dorisch à 3

b) „La Fenice“ in a-moll à 4

 

3. Würzburg: Philipp Friedrich Buchner (geb. 1614 in Wertheim, gest. 1669 in Würzburg):

Trio IX in D-Dur für zwei Violinen, Fagott und Basso Continuo

 

4. Münsterschwarzach: Pater Marianus Baal OSB (geb. 1647 in Karlstadt am Main, gest. 1701):

Sonate für Violine und Basso Continuo in a-moll

 

5. Bamberg: Georg Arnold (geb. 1621 in Feldsberg/Südmähren, gest. 1669 in Bamberg):

Canzon à 3, 2 Violin è Fagott (aus dem Partiturbuch von 1662) in G-mixolydisch

 

6. Nürnberg:

a) Johann Erasmus Kindermann (geb. 1616 in Nürnberg, gest. ebendort 1655):

Sonata Prima in d-dorisch für Violine und Basso Continuo

b) Johann Pachelbel (geb. 1653 in Nürnberg, gest. 1706 ebendort):

Toccata uns Fuge in B-Dur für Orgel

 

7. München:

a) Franz Simon Schuchbauer (geb. vor 1691, gest. 1743, wirkte in München):

Sonata a 2 Viole d´ Amore und Basso Continuo (aus der Sächsischen Landesbibliothek Dresden)

(Preludio: Allegro-Adagio-Allegro-Aria-Giga: Allegro)

b) Girolamo Frescobaldi (geb. 1583 in Ferrara, gest. 1643 in Rom):

Canzon à 4 „sopra Romanesca“

c) Giovanni Gabrieli (geb. 1557 in Venedig, gest. 1612 ebendort)

Canzon I à 4, „La Spiritata“ in g-dorisch

 

 

Zum Programm:

 

„Wer kennt schon Guzinger?“ Tatsächlich wissen wir sehr wenig über den Eichstätter Hofmusiker, von dem wir einige Literatur für Viola d´ Amore erhalten haben. Zahlungsanweisungen, Tauf-, Heirats- und Sterbeeintragungen in kirchlichen Büchern sind oft die einzige Information zum Leben eines Barockmeisters. Allerdings steht auch dieser Komponist in einer großen musikalischen Tradition, indem er hier z.B. eine Suite, also eine Folge von Tanzsätzen geschrieben hat. Zu dieser Zeit hat man sich jedoch zu diesen Tönen nicht mehr bewegt, die Suite war vielmehr vom Unterhaltungssektor in stilisierter Form zur höfischen Kunstmusik erhoben. Zweitens schreibt der ansonsten eher unbekannte Guzinger für die sehr aufwendige (nur für Solozwecke geeignete), kostspielige und von klassischen Indischen Instrumenten (Resonanzsaiten) beeinflußte Viola d´ Amore. Auch damit ist der Meister im Trend seiner Zeit. Man interessierte sich für außereuropäische Kulturen, fertigte Keramiken in Chinesischer Manier, kleidete sich nach Osmanischer Art, trank Caffee, hielt sich einen Papagei, kurzum, es war der Stil des „Exotismus“, wie wir ihn später bei Gustav Mahler und Richard Strauss um 1900 wieder antreffen.

Nun gehen wir im Grunde zurück in eine andere Epoche: Biagio Marini ist einer der wichtigsten Meister des Venezianischen Barock. Die Stadt Neuburg wurde erst Anfang des 16. Jahrhunderts zur Residenzstadt. So kann man vermuten, daß der Fürst auch auf musikalischem Sektor seinen Stellenwert unter den damals Dutzenden auf heute Bayerischem Gebiet liegenden Einzelstaaten aufzeigen wollte. Auch der zugleich stattfindende Dreißigjährige Krieg hielt ihn finanziell nicht davon ab, den berühmten Komponisten jahrzehntelang für ihn arbeiten zu lassen.

Giovanni Martino Caesare war ein Friauler Zinkenist (Aufgrund des trompetenartigen Mundstücks zählt man dieses Instrument zu den Blechbläsern.) und an den Höfen in Günzburg und München beschäftigt. Seine heute vorgestellten Canzonen stehen in der Tradition des großen Venezianischen Meisters Giovanni Gabrieli. Die barocke Monodie (Solist mit akkordischer Begleitung) ist hier noch nicht vorherrschend, stattdessen sich imitierende polyphon geführte (also gleichberechtigte) Stimmen. Dabei ist der Themenkopf bei Canzonen meist „lang-kurz-kurz“ gestaltet.

Philipp Friedrich Buchner war ursprünglich Protestant, konvertierte jedoch später zum Katholizismus und stand in Fürstbischöflich Schönborn´schen Diensten in Würzburg und Mainz. Wie er unternahmen viele Deutsche Musiker im 17. Jahrhundert Italienreisen, oft auch aufkosten ihres Arbeitgebers, um sich im neuen Barockstil ausbilden zu lassen und ihn nach Deutschland zu bringen. Auch Händel oder Johann Christian Bach taten dies, um später in London tätig zu sein.

Pater Marianus Baal stand in Fürstbischöflich Bambergischen Diensten, ehe er dann ins Kloster Münsterschwarzach eintrat, zwischen Würzburg und Nürnberg gelegen. Über seine tragischen und absurden Todesumstände liegt ein genauerer Bericht vor. Das Kloster wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts nämlich neu gebaut, was Jahrzehnte in Anspruch nahm. Eines Nachts stürzte er auf der Baustelle beim dem Gang auf´s Örtchen zu Tode. Die Tatsache, daß einer seiner Mitbrüder sich so ausführlich dazu äußerte, läßt die Schwere des Verlusts dieses großen Kulturträgers für das Kloster erkennen.

Georg Arnold war zuerst in Wolfberg/Kärnten tätig, welches zu den Bambergischen Besitzungen gehörte. Später war er dann in der „Hauptstadt“ seines Arbeitgebers tätig. Erst die Zeit um 1800 mit Säkularisation, Mediatisierung und Reichsdeputationshauptschluß, früher schon die Reformen Kaiser Josephs II, schufen die im Grunde bis heute bestehenden zusammenhängenden „Nationalstaaten“ Bayern und Österreich.

Johann Erasmus Kindermann ermöglichte der Rat der Freien Reichsstadt Nürnberg einen Studienaufenthalt in Italien, eher er dann in seiner Heimat an verschiedenen Kirchen als Organist tätig war. Seine Violinsonate ist eindeutig geprägt von dem „stile nuovo“, also der Struktur eines (oft auch virtuosen) Solisten und einer (untergeordneten) Begleitung, die lediglich als Baßstimme mit Bezifferung für die zu improvisierenden Akkorde notiert ist.

Johann Pachelbel war „international“ tätig, jedoch in konfessionell protestantisch geprägten Residenzstädten: Eisenach (Bekanntschaft mit der Familie Bach), Erfurt und Stuttgart waren seine Zwischenstationen, ehe der an St. Sebald in Nürnberg eine Anstellung innehatte.

Franz Simon Schuchbauer war Mönch in München. Ansonsten wissen wir sehr wenig über ihn. Allerdings wird das heute erklingende Stück allein schon dadurch geadelt, daß es in der von Johann Georg Pisendel hauptsächlich angelegten Sammlung barocker Werke in der heutigen Sächsischen Landesbibliothek erhalten ist. Diese Sonate stammt im Grunde wieder aus einer anderen Epoche, nämlich dem Spätbarock: Wir finden hier ein typisches Concerto, wie es Vivaldi geprägt hat. Zwei Solostimmen „streiten“ „zusammen“, wie man „con“ und „certare“ wörtlich übersetzen könnte. Zudem sehen wir eine Unterteilung des Werks in viele voneinander getrennte Einzelsäze, deren jeder normalerweise einen einheitlichen Affekt hat. Die hochbarocke Sonata ist in der Regel durchkomponiert, aus vielen verschiedenen Abschitten gebildet.

Zuletzt erklingen noch Werke von Girloamo Frescobaldi und Giovanni Gabrieli. Erstgenannter war nicht diesseits der Alpen, jedoch ein Vorbild und Lehrer für ganze Generationen Deutscher Musiker wie Johann Jacob Froberger oder auch Johann Sebastian Bach. Gabrieli kennt man eigentlich als Kapellmeister an S. Marco in Venedig, er ließ sich jedoch früher in München bei Orlando di Lasso ausbilden, einem der letzten großen Vertreter der Renaissance.

 

S. Steinkühler