Weihnachtliche Barockmusik

Alte Musik in Heilig Geist

Konzerte 2015

"Im Auftrag des Hauses Wittelsbach"

 

Freitag, den 20.2. 2015 um 19:00 Uhr

Heilig-Geist Kirche in Rosenheim

"Mozarts Vorbilder"

 

Mittwoch, den 13.5. 2015 um 20:00 Uhr

Schloßkapelle Urfahrn bei Oberaudorf

 

„Concerti e Sonate“

 

Sonntag, den 2. 8. 2015 um 19:00 Uhr

Heilig-Geist Kirche in Rosenheim

„Der Rasende Biber...“

 

Samstag, den 31.10. 2015 um 19:00 Uhr

Heilig-Geist Kirche in Rosenheim

 

Dienstag, den 29.12.2015 um 19:00 Uhr

Heilig-Geist Kirche in Rosenheim

 

Weihnachtliche Barockmusik

 

 

von Vivaldi und Biber u.a.

 

 

Programm:

 

 

1. Antonio Vivaldi (geb. 1678 in Venedig; gest. 1741 in Wien):

 

Violinkonzert in f-moll, genannt "L’Inverno" – "Der Winter" op. 8, RV 297

 

Allegro non molto-Largo-Allegro

 

 

2. Johann Heinrich Schmelzer (geb. um 1623 in Scheibbs, gest. 1680 in Prag)

 

Sonata Pastrorella für zwei Violinen und Basso Continuo in G-Dur

 

 

3. Heinrich Ignaz Franz Biber (geb. 1644 in Böhmisch Wartenberg; gest. 1704 in Salzburg):

 

Sonata Pastorella in A-Dur für Violine und Basso Continuo

 

 

4. Wilhelm Ganspöckh (geb. 1687 in Adelshausen/Oberbayern, gest. 1770 in Stift Ranshofen/

 

heute OÖ):

 

Ouverture ex A für zwei Viole d´ Amore

 

Ouverture-Gavott-Menuet-Bourée-Hornepippe-Gigue-Chaccone

 

 

5. Heinrich Ignaz Franz Biber:

 

Rosenkranzsonate "Den du, o Jungfrau, geboren hast" in h-moll für Violine und Basso Continuo

 

 

6. Antonio Vivaldi:

Concerto "II Riposo - Per il Santo Natale" (Weihnachtskonzert) RV 270 in E-Dur

 

Allegro-Adagio-Allegro

 

 

 

Zugabe: Schmelzer-Tubicinium aus dem Partiturbuch

 

 

anonymus (17. Jh, aus dem Gothaer Partiturbuch): Sonata 104 aus "Partiturbuch"

 

 

Ausführende:

 

 

Simon Steinkühler Violine und Viola d´ Amore

 

Ines Wein Violine und Viola d´ Amore

 

Erika Sugimoto Violine

 

Michael Steinkühler Viola da Gamba

 

Anna Steinkühler Violoncello

 

Brigitta Rauschmayer Violone

 

Christoph Ludwig Cembalo und Orgel

 

 

 

 

 

 

Heute erklingen vier Stücke, für die die Weihnachtszeit oder eben der Winter den Entstehungsanlaß boten. Man spricht von Programmusik, da ein außermusikalisches Ereignis konzeptionell zugrunde liegt. Das mittlere Stück ist eine Suite (Folge von Tanzsätzen) des Augustiner Chorherrn Wilhelm Ganspöckh für zwei Viole d´ Amore, um das herum sich zwei Violinsonaten des Salzburger Hofkapellmeisters und Violinviruosen Heinrich Ignaz Franz Biber gruppieren, als Anfang und Schluß flankieren zwei Vivaldi-Violinkonzerte. Als Ausflug in die volksmusikalisch beeinflußte Kunstmusik erklingt die Sonata Pastorella des Wiener Hofkapellmeisters Johann Heinrich Schmelzer.

 

 

Wie nun beziehen die einzelnen Werke Stellung zum Weihnachtsgeschehen?

 

 

1. Der berühmte "Winter" aus den "Quattro Stagioni" ignoriert Weihnachten und schildert im ersten Satz die unangenehmen Nebel, die eisigen Winde, die eingefrorenen Füße und die klappernden Zähne. Im Finale steigert sich die Abneigung gegen diese Jahrezeit wegen der großen Sturzgefahr auf dem Eis, zum Schluß findet ein Krieg aller Winde zugleich statt.

 

2. Der Niederösterreicher Schmelzer hingegen setzt mehrere damals wohl sehr bekannte Hirtenmotive für zwei Geigen mit Begleitung und unterstützt das rührende, gefühlvolle Moment in Bezug auf Weihnachten. Im weiteren Verlauf des Stückes hört man vielleicht sogar einen Jodler heraus.

 

3. Biber hingegen verarbeitet dieselben wohl alpenländischen Motive zu einer etwas sportlicheren Violinsonate.

 

5. Seine Rosenkranzsonate über das Fest der Geburt Christi hingegen steht erstaunlicherweise in h-moll, einer Tonart, die oft mit Leid und Tod assoziiert wird. Auch der eher kontemplative Charakter des Stückes läßt uns den sehr ernsten Inhalt erraten. Im Notenbild erkennt der Spieler einige Chiasmen, also das Kreuzessymbol, wenn man den ersten mit dem vierten Notenkopf, sowie die mittleren beiden Töne einer bestimmten Vierergruppe miteinander verbindet. Die Stimmung der Geige weicht stark von der konventionellen ab: Die unteren beiden Saiten müssen um eine große Terz hinaufgestimmt werden. Die nun viel höhere Spannung erzeugt einen zur eigentlichen Komposition kontrastierenden Klangcharakter. Warum Biber nun sich dieser unerwarteten Mittel im Zusammenhang mit dem für uns mit doch positiven Erfahrungen besetzten Weihnachtsfest bedient, sagt der Komponist uns im langsamen Schlußteil dieser Sonate selbst. Dort nämlich finden wir ein größeres Selbstzitat des Meisters, indem er an einer ganz bestimmten Stelle fast wörtlich eine Stelle aus der Einleitung seiner Kreuzigungssonate erklingen läßt.

 

In der Christlichen Kunst findet man häufiger die Verbindung des Idylls Maria und Jesuskind mit auf den grausamen Kreuzestod vorausweisenden Symbolen. Was bei Biber der musikalische Hinweis ist, ist bei den Malern wegen seiner Vorliebe für Disteln (Anspielung auf die spätere Dornenkrönung) der Stieglitz (siehe Abbildung von "Madonna und Kind mit Distelfink" von Giovanni Battista Tiepolo).

 

 

(Simon Steinkühler)

 

 

 

 

 

Kapelle des Klinikums Rosenheim

 

 

Kammermusik des 18. Jahrhunderts aus den Fürstbistümern Salzburg und Passau

 

 

mit

 

 

Simon Steinkühler Viola d´ Amore und Violine

 

Erika Sugimoto Violine

 

Susanna Mette Violine und Viola

 

Anna Steinkühler Violoncello

 

Christoph Ludwig Cembalo

 

 

 

Programm:

 

 

 

Benedikt Anton Aufschnaiter (geb. 1665 in Kitzbühel; gest. 1742 in Passau):

 

Sonata S. Marci in F-Dur, op. 4/6

 

 

Heinrich Ignaz Franz Biber (geb. 1644 in Böhmisch Wartenberg; gest. 1704 in Salzburg):

 

Sonata a 4 in A-mixolydisch

 

 

Benedikt Anton Aufschnaiter:

 

Concerto della Prosperità in F-Dur, op. deest (mit Viola d´Amore statt Violine I)

 

Ouverture-Ballo-Menuet 1 und 2-Bouree-Rondeau-Riquadon-Menuet-Gigue

 

 

Heinrich Ignaz Franz Biber:

 

Rosenkranzsonate passend zu Ostern "Jesus, der von den Toten auferstanden ist" in G-Dur

 

 

Heinrich Ignaz Franz Biber:

 

Sonata IX aus "Fidicinium Sacro-Profanum" in G-mixolydisch

 

 

 

 

 

Zum Programm:

 

Der erste Komponistenname steht im Widerspruch zur Konzertankündigung. Allerdings erlauben wir Albertini heute einen „Gastauftritt“ in diesem Programm, nicht nur wegen des mit Biber übereinstimmenden Geburtsjahres, sondern vor allem wegen der erstaunlichen stilistischen Gemeinsamkeit zur letzten heute erklingenden Sonate Bibers: Beide Komponisten waren zur selben Zeit und fast am selben Ort als Violinvirtuosen berühmt, und prüfen noch heute jeden Geiger mit hohen Lagen und schnellen Tempi. Zudem zeichnen sich diese Sonaten durch reichhaltigste Affektwechsel auf kleinstem Raum aus. Man spricht vom „phantastischen“ Stil. Auch die Wahl der Tonart ist bei beiden Werken extrem: H-moll ist der traditionell mit Leid und Tod assoziierte modus (Ton-Art) (siehe auch z.B. „Es ist vollbracht“ in der Bach´schen Johannespassion), E-Dur die am äußersten Rand der mit einer mitteltönig gestimmten Continuo-Orgel noch ausführbare Tonart. H-Dur beinhaltet bereits „Wolfsterzen“, die wesentlich größer als rein und deshalb unharmonisch sind.

 

Die Stückauswahl des heutigen Programms wurde passend zur jetzigen Zeit im Kirchenjahr vorgenommen: H-moll erinnert uns noch an die vergangene Passionszeit, die Ostersonate Bibers zitiert den auch heute noch bekannten Hymnus „Surrexit Christus hodie“ und auch das Lied „Allein Gott in der Höh sei Ehr“. Die Geige muß für dieses Stück präpariert werden, indem die mittleren Saiten überkreuzt werden, ein religiös zu deutendes Symbol für Christi Tod, der an Ostern überwunden wird.

 

Was sucht eine „Battaglia“, also eine Schlachten-Musik, die Kriegslärm mit Trommeln und hohen Schwegeln imitiert, in einem geistlichen Konzert? Man staunt nicht schlecht, wenn man die dann folgende Sonate mit der Thematik der Himmelfahrt Christi (Das Hochfest feierten wir am Donnerstag.) ebenso mit einem „Tubicinium“, also einer Trompetenfanfare beginnen hört. Im Gegensatz zur heutigen Zeit, wo wir im Kriegsfall sogar mit der Auslöschung unserer Zivilisation rechnen müssen, sah man einen „Waffengang“ damals als ein legitimes Mittel zur Durchsetzung eigener politischer Interessen. Selbst der Friedensfürst Jesus Christus fährt mit Pauken und Trompeten in den Himmel auf. Die Tonrepetitionen der Intrada sind als „concitato“ zu sehen, ein typisches rhetorisches Mittel der Barockmusik zum Ausdruck von Kampf (Christus siegt über den Tod.). Nach dem darauf folgenden Tubicinium („Trompetenstück“ mit Imitation eines Blechbläser-Chores durch einen Streicher) beenden drei Tanzsätze diese Sonate. Am Ende des 17.Jahrhunderts war die Stilisierung z.B. einer Allemande soweit fortgeschritten, daß aus der ursprünglichen weltlichen Gebrauchsmusik auch kirchliche werden konnte.

 

Nun nähern wir uns dem baldigen Pfingstfest: Eine Toccata ist eine sehr freie Form mit vielen kleinen Abschnitten, die teils virtuos und solistisch sein können, dann aber wieder strenge fugierte Kompositionstechnik aufweisen. Die dem Heiligen Geist gewidmete Sonate Bibers beginnt ebenso gleichsam wie eine niedergeschriebene Improvisation. Fliegendes Staccato und schnelle Arpeggien symbolisieren wohl das Herabkommen des Heiligen Geistes auf die Jünger. Nach diesem programmatischen Beginn endet das Werk wiederum mit drei konventionellen Tanzsätzen. Besondere klangliche Effekte bewirkt bei dieser Sonate die Scordatur („Verstimmung“) der Geige, welche hier einen A-Dur-Akkord ergibt, also die „Dominante“ zur Grundtonart. Bei einer Viola d´ Amore (heute bei der Himmelfahrts-Sonate im Einsatz) hat man grundsätzlich eine Stimmung zu wählen, die gut zum Stück paßt. Die Noten sind dann als Griffnotation ausgeführt. Man greift also wie bei einem normalen Geigenstück, nur erklingen dann andere Töne.

 

S. Steinkühler