"Im Auftrag des Hauses Wittelsbach"
Freitag, den 20.2. 2015 um 19:00 Uhr
Heilig-Geist Kirche in Rosenheim
Programm:
1. Ignazio Albertini (* 1644 Mailand; † 1685 Wien): Sonata III in h-moll
2. Johann Caspar von Kerll (* 1627 Adorf † 1693 München): Ciacona
3. Heinrich Ignaz Franz Biber (* 1644 Böhmisch Wartenberg, † 1704 Salzburg):
Sonate „Jesus, der von den Toten auferstanden ist“ in G-Dur
(Sonata-Surrexit Christus hodie-Adagio)
4. Johann Caspar von Kerll: Battaglia
5. Heinrich Ignaz Franz Biber
Sonate „Jesus, der in den Himmel aufgefahren ist“ in C-Dur
(Intrada-Aria Tubicinium-Allamanda-Courente-Double)
6. Johann Caspar von Kerll: Toccata quinta
7. Heinrich Ignaz Franz Biber:
Sonate „Jesus, der uns den Heiligen Geist gesandt hat“ in d-dorisch
(Sonata-Gavott-Guigue-Sarabanda)
8. Johann Caspar von Kerll: Canzona in d
9. Heinrich Ignaz Franz Biber:
Sonate in E-mixolydisch
Eintritt frei! Kostenbeitrag erbeten!
Zum Programm:
Der erste Komponistenname steht im Widerspruch zur Konzertankündigung. Allerdings erlauben wir Albertini heute einen „Gastauftritt“ in diesem Programm, nicht nur wegen des mit Biber übereinstimmenden Geburtsjahres, sondern vor allem wegen der erstaunlichen stilistischen Gemeinsamkeit zur letzten heute erklingenden Sonate Bibers: Beide Komponisten waren zur selben Zeit und fast am selben Ort als Violinvirtuosen berühmt, und prüfen noch heute jeden Geiger mit hohen Lagen und schnellen Tempi. Zudem zeichnen sich diese Sonaten durch reichhaltigste Affektwechsel auf kleinstem Raum aus. Man spricht vom „phantastischen“ Stil. Auch die Wahl der Tonart ist bei beiden Werken extrem: H-moll ist der traditionell mit Leid und Tod assoziierte modus (Ton-Art) (siehe auch z.B. „Es ist vollbracht“ in der Bach´schen Johannespassion), E-Dur die am äußersten Rand der mit einer mitteltönig gestimmten Continuo-Orgel noch ausführbare Tonart. H-Dur beinhaltet bereits „Wolfsterzen“, die wesentlich größer als rein und deshalb unharmonisch sind.
Die Stückauswahl des heutigen Programms wurde passend zur jetzigen Zeit im Kirchenjahr vorgenommen: H-moll erinnert uns noch an die vergangene Passionszeit, die Ostersonate Bibers zitiert den auch heute noch bekannten Hymnus „Surrexit Christus hodie“ und auch das Lied „Allein Gott in der Höh sei Ehr“. Die Geige muß für dieses Stück präpariert werden, indem die mittleren Saiten überkreuzt werden, ein religiös zu deutendes Symbol für Christi Tod, der an Ostern überwunden wird.
Was sucht eine „Battaglia“, also eine Schlachten-Musik, die Kriegslärm mit Trommeln und hohen Schwegeln imitiert, in einem geistlichen Konzert? Man staunt nicht schlecht, wenn man die dann folgende Sonate mit der Thematik der Himmelfahrt Christi (Das Hochfest feierten wir am Donnerstag.) ebenso mit einem „Tubicinium“, also einer Trompetenfanfare beginnen hört. Im Gegensatz zur heutigen Zeit, wo wir im Kriegsfall sogar mit der Auslöschung unserer Zivilisation rechnen müssen, sah man einen „Waffengang“ damals als ein legitimes Mittel zur Durchsetzung eigener politischer Interessen. Selbst der Friedensfürst Jesus Christus fährt mit Pauken und Trompeten in den Himmel auf. Die Tonrepetitionen der Intrada sind als „concitato“ zu sehen, ein typisches rhetorisches Mittel der Barockmusik zum Ausdruck von Kampf (Christus siegt über den Tod.). Nach dem darauf folgenden Tubicinium („Trompetenstück“ mit Imitation eines Blechbläser-Chores durch einen Streicher) beenden drei Tanzsätze diese Sonate. Am Ende des 17.Jahrhunderts war die Stilisierung z.B. einer Allemande soweit fortgeschritten, daß aus der ursprünglichen weltlichen Gebrauchsmusik auch kirchliche werden konnte.
Nun nähern wir uns dem baldigen Pfingstfest: Eine Toccata ist eine sehr freie Form mit vielen kleinen Abschnitten, die teils virtuos und solistisch sein können, dann aber wieder strenge fugierte Kompositionstechnik aufweisen. Die dem Heiligen Geist gewidmete Sonate Bibers beginnt ebenso gleichsam wie eine niedergeschriebene Improvisation. Fliegendes Staccato und schnelle Arpeggien symbolisieren wohl das Herabkommen des Heiligen Geistes auf die Jünger. Nach diesem programmatischen Beginn endet das Werk wiederum mit drei konventionellen Tanzsätzen. Besondere klangliche Effekte bewirkt bei dieser Sonate die Scordatur („Verstimmung“) der Geige, welche hier einen A-Dur-Akkord ergibt, also die „Dominante“ zur Grundtonart. Bei einer Viola d´ Amore (heute bei der Himmelfahrts-Sonate im Einsatz) hat man grundsätzlich eine Stimmung zu wählen, die gut zum Stück paßt. Die Noten sind dann als Griffnotation ausgeführt. Man greift also wie bei einem normalen Geigenstück, nur erklingen dann andere Töne.
S. Steinkühler